Der gute Mensch von Sezuan by Hermann Hesse

Der gute Mensch von Sezuan by Hermann Hesse

Autor:Hermann Hesse [Hesse, Hermann]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2013-11-13T05:00:00+00:00


6

Nebenzimmer eines billigen Restaurants in der Vorstadt

Ein Kellner schenkt der Hochzeitsgesellschaft Wein ein. Bei Shen Te stehen der Großvater, die Schwägerin, die Nichte, die Shin und der Arbeitslose. In der Ecke steht allein ein Bonze. Vorn spricht Sun mit seiner Mutter, Frau Yang. Er trägt einen Smoking.

SUN Etwas Unangenehmes, Mama. Sie hat mir eben in aller Unschuld gesagt, daß sie den Laden nicht für mich verkaufen kann. Irgendwelche Leute erheben eine Forderung, weil sie ihr die 200 Silberdollar geliehen haben, die sie dir gab. Dabei sagt ihr Vetter, daß überhaupt nichts Schriftliches vorliegt.

FRAU YANG Was hast du ihr geantwortet? Du kannst sie natürlich nicht heiraten.

SUN Es hat keinen Sinn, mit ihr über so etwas zu reden, sie ist zu dickköpfig. Ich habe nach ihrem Vetter geschickt.

FRAU YANG Aber der will sie doch mit dem Barbier verheiraten.

SUN Diese Heirat habe ich erledigt. Der Barbier ist vor den Kopf gestoßen worden. Ihr Vetter wird schnell begreifen, daß der Laden weg ist, wenn ich die 200 nicht mehr herausrücke, weil dann die Gläubiger ihn beschlagnahmen, daß aber auch die Stelle weg ist, wenn ich die 300 nicht noch bekomme.

FRAU YANG Ich werde vor dem Restaurant nach ihm ausschauen. Geh jetzt zu deiner Braut, Sun!

SHEN TE beim Weineinschenken zum Publikum: Ich habe mich nicht in ihm geirrt. Mit keiner Miene hat er Enttäuschung gezeigt. Trotz des schweren Schlages, den für ihn der Verzicht auf das Fliegen bedeuten muß, ist er vollkommen heiter. Ich liebe ihn sehr. Sie winkt Sun zu sich. Sun, mit der Braut hast du noch nicht angestoßen!

SUN Worauf soll es sein?

SHEN TE Es soll auf die Zukunft sein.

Sie trinken.

SUN Wo der Smoking des Bräutigams nicht mehr nur geliehen ist!

SHEN TE Aber das Kleid der Braut noch mitunter in den Regen kommt!

SUN Auf alles, was wir uns wünschen!

SHEN TE Daß es schnell eintrifft!

FRAU YANG im Abgehen zu Shin: Ich bin entzückt von meinem Sohn. Ich habe ihm immer eingeschärft, daß er jede bekommen kann. Warum, er ist als Mechaniker ausgebildet und Flieger. Und was sagt er mir jetzt? Ich heirate aus Liebe, Mama, sagt er. Geld ist nicht alles. Es ist eine Liebesheirat! Zur Schwägerin: Einmal muß es ja sein, nicht wahr? Aber es ist schwer für eine Mutter, es ist schwer. Zum Bonzen zurückrufend: Machen Sie es nicht zu kurz. Wenn Sie sich zu der Zeremonie ebensoviel Zeit nehmen wie zum Aushandeln der Taxe, wird sie würdig sein. Zu Shen Te: Wir müssen allerdings noch ein wenig aufschieben, meine Liebe. Einer der teuersten Gäste ist noch nicht eingetroffen. Zu allen: Entschuldigt, bitte. Ab.

DIE SCHWÄGERIN Man geduldet sich gern, solang es Wein gibt.

Sie setzen sich.

DER ARBEITSLOSE Man versäumt nichts.

SUN laut und spaßhaft vor den Gästen: Und vor der Verehelichung muß ich noch ein kleines Examen abhalten mit dir. Das ist wohl nicht unnötig, wenn so schnelle Hochzeiten beschlossen werden. Zu den Gästen: Ich weiß gar nicht, was für eine Frau ich bekomme. Das beunruhigt mich. Kannst du zum Beispiel aus drei Teeblättern fünf Tassen Tee kochen?

SHEN TE Nein.

SUN Ich werde also keinen Tee bekommen.



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